Mit den CAFT-Daten von Österreich und der Schweiz wurden die Umwegfahrten für die Jahre 2009 und 2014 und nun auch für 2019 berechnet und ausgewertet und gemeinsam mit den im Rahmen des Projektes MONITRAF berechneten Ergebnissen für die Jahre 1994, 1999 und 2004 die Entwicklung der Umwegverkehre in den letzten 25 Jahren analysiert.
Von den drei großen Alpenübergängen weist der Tauern mit +180% die größten relativen Zuwächse im Zeitraum 1994 bis 2019 auf. Während der Tauern 1994 noch fast halb so viele Lkw-Fahrten aufwies wie der Gotthard, wurde dieser 2009 eingeholt und 2019 deutlich überholt. Mit +1,52 Mio. Lkw-Fahrten (+131%) wurden am Brenner die größten absoluten Zuwächse gezählt. Der Brenner weist auch mit fast 2,68 Mio. Lkw/Jahr den Spitzenwert bei den alpenquerenden Lkw-Fahrten auf. Insgesamt nahm der Lkw-Verkehr an den westösterreichischen Alpenübergängen (ohne Felbertauern) in den 25 Jahren von 1994 bis 2019 um 142% zu. In der Schweiz nahm der Lkw-Verkehr an den 4 betrachteten Alpenübergängen im selben Zeitraum um 9,0% ab. Erstmalig wird dort das Niveau von 1994 unterschritten.
Für die Auswertung der Umwege wurden insbesondere die Streckenlänge sowie die entstehenden Gesamtkosten untersucht.
Betrachtet man zunächst die Streckenlänge und nur den Brenner und den Gotthard als mögliche Alternativrouten, so zeigt sich im Jahr 2019, dass 32% der Brenner-Fahrten eine um mehr als 60 km kürzere Alternative über den Gotthard gehabt hätten. Umgekehrt wären nur 0,8% der Gotthard-Fahrten über den Brenner streckengünstiger unterwegs gewesen. Bei theoretischer Verlagerung der Umwegfahrten >60 km auf die streckenkürzeste Alternative ergäben sich 2019 Lkw-Verkehrsreduktionen am Brenner von -28% und am Tauern von -12% sowie Zunahmen am Gotthard von +144% (Abbildung 1). Betrachtet man die Entwicklung der Umwegfahrten mit mindestens 60 km kürzerer Alternative, dann lässt sich die starke Routenverschiebung hin zum Brenner zwischen 1994 und 1999 erkennen. An den Schweizer Alpenübergängen zeigt sich jedoch ein gegenteiliges Bild mit deutlichen Abnahmen an Lkw-Fahrten im Straßengüterverkehr und Umwegen, welche sich nicht nur in relativen sondern auch in absoluten Zahlen messen lassen (Abbildung 2).
Für sehr aufschlussreiche Ergebnisse sorgt die Auswertung der betriebswirtschaftlichen Gesamtkosten als Umwegkriterium im Jahr 2019 mit Brenner und Gotthard als mögliche Alternativrouten. Bei einem Schwellenwert von € 120 zeigt sich bei den österreichischen Alpenübergängen ein viel geringerer Umweganteil: Beispielsweise hätten nur mehr 7,8% der Brenner-Lkw eine kostengünstigere Alternative über den Gotthard. Entsprechend geringer fallen auch die rechnerischen Verlagerungen mit -4% am Brenner, -8% am Tauern und +35% am Gotthard aus. Wenig überraschend zeigt sich somit, dass sich das Routenwahlverhalten über die monetären Kosten wesentlich besser abbilden lässt als über die Streckenlänge. Ein direkter Zusammenhang mit den wesentlich günstigeren Mauttarifen und Treibstoffpreisen in Österreich lässt sich daraus wohl zweifelsfrei ableiten (Abbildung 3).
Für die drei großen Alpenübergänge Brenner, Gotthard und Tauern erfolgte zusätzlich noch eine Unterscheidung in Bestweg, Mehrweg und Umweg. Wenn die realisierte Route ein Bestweg ist, werden rechnerisch keine Fahrten verlagert, bei einem Umweg werden alle Fahrten verlagert und bei einem Mehrweg werden die Fahrten auf mehrere Alternativen aufgeteilt. Bei einem Schwellenwert von 60 km sind 2019 am Brenner 40% der Lkw, am Tauern 69% und am Gotthard 97% auf dem Bestweg unterwegs. Der Anteil der Mehrwege liegt zwischen 2,2% am Gotthard und 27,4% am Brenner. Umwege wurden ähnlich wie beim 60 km-Streckenkriterium mit rund 33% am Brenner, 12% am Tauern und knapp 1% am Gotthard ausgewiesen. Werden auch die Mehrwege rechnerisch verlagert, ergibt sich eine Entlastung des Brenner mit -39%, eine Entlastung am Tauern mit -6% und eine hohe Mehrbelastung am Gotthard mit +173% (Abbildung 4).
Die Ergebnisse zeigen, dass es zahlreiche Lkw-Fahrten über Westösterreichs Alpenübergänge gibt, die eine bessere (streckenkürzere, kostengünstigere) Alternative über die Schweizer Alpen hätten. Nach wie vor dominiert der Brenner bei den Umwegfahrten deutlich. Im Jahr 2019 haben die Umwegfahrten am Brenner den absoluten und relativen Höchstwert erreicht.